Ostumfahrung: Lasst uns atmen!
Wiener Neustadt ist gekennzeichnet von fehlenden Naherholungsgebieten:
die Verdichtung durch Bauprojekte in den Stadtvierteln selbst und die Umzingelung der Stadt durch Schottergruben, Gewebeansiedlungen, Autobahnab- und -zufahrten und Einkaufszentren haben in der letzten Zeit zu einen starken Verlust an Lebensqualität und an Natur geführt. Die politischen Voraussetzungen, diese negative Entwicklung aufzuhalten, wären gegeben. Im Umweltkontrollbericht 2019 wird angeführt, dass die Vertragsstaaten des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) und die Europäische Union als Ziel bis 2020 festgelegt haben, den Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen aufzuhalten. Für Österreich wurden die internationalen Ziele in die Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+ übernommen. Aber wo bleibt die Umsetzung?
Die 2018 erschienene Studie des Umweltbundesamtes „Naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume und Baulandwidmung in Österreich“ führt an, dass das gesamte potenziell bebaubare Land im
Stadtgebiet von Wiener Neustadt schon vor der Jahrhundertmitte verbaut sein wird. Eine beklemmende Vorstellung.
Wie sehr die Bevölkerung schon heute leidet, zeigt sich am zunehmendem Unmut über verkehrspolitische oder raumplanerische Entscheidungen, etwa auch beim Widerstand gegen die weitere Verbauung des Akademieparks. Stiller, aber umso folgenreicher, leidet auch die Natur. In den Trockenrasengebieten stehen die Ziesel Bauprojekten im Weg. Durch die Ostumfahrung ist ein Naturschutzgebiet massiv bedroht. Die dort vorkommenden Pflanzen und Tiere lassen sich auch nicht einfach auf Ausgleichsflächen umsiedeln, zerschnittene Lebensräume nicht mehr verbinden. Die derzeit noch bestehende Natur, die Wiener Neustadt umgibt, besteht nicht aus einer lieblichen Landschaft mit idyllischen saftig-grünen Wiesen. Es ist die herbe und karge Landschaft des Steinfelds, die im Sommer zu halbverdorrten trockenen Wiesen wird. Trotzdem ist diese Landschaft genauso wertvoll, genauso schützenswert, wie eine liebliche Alm. Es braucht Geduld und Wissen, um die kleinen, oft verborgenen Schätze zu erkennen. Die infrastrukturellen Entscheidungen, die heute hinsichtlich der Ostumfahrung getroffen werden, werden unser Leben die nächsten 40-50 Jahre prägen. Was zerstört wird, bleibt zerstört. Der bedrückende Verlust an Artenvielfalt findet nicht nur in den Regenwäldern am Amazonas statt.
Er geschieht auch hier, in Wiener Neustadt, bei der Ostumfahrung.
Christian Stocker
Wiener Neustadt