„Radverkehrsförderung“ in Wiener Neustadt
Österreich hat sich 2016 wie fast alle entwickelten Länder der Erde zum Pariser Klimaabkommen 2015 verpflichtet. Die österreichische Energiestrategie sieht gleichlautend eine Senkung klimarelevanter Emissionen bis 2050 auf nahezu Null vor.
Bis 2025 müssen die Treibhausgase gegenüber 2005 um mehr als ein Drittel reduziert werden. Gerade der Straßenverkehr ist inzwischen zu jenem Sektor avanciert, der stetig steigende Treibhausgasemissionen verursacht, in Österreich etwa 30% aller Emissionen.
Wiener Neustadt ist seit 1991 Klimabündnis-Gemeinde – also seit fast 30 Jahren. Klimabündnis-Gemeinden gibt es in Österreich viele, alle wollen sie Treibhausgase reduzieren und hängen sich gerne ein grünes Mäntelchen um; unter anderem mit der Förderung aktiver Mobilität, wie zu Fuß gehen und Radfahren.
2018 und 2019 gab es im Rahmen des Stadtentwicklungsplans (STEPWN 2030) „Radverkehrsoffensiven“. Laut offizieller Homepage der Stadt stand die Radverkehrsoffensive 2018 unter dem Motto „Gefahren vermeiden – Lücken schließen – Möglichkeiten schaffen“. Es würden „… eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt, die den Anteil des Radverkehrs erhöhen sollen.“ 2019 war das Motto „Gefahren vermeiden – Lücken schließen – Wege öffnen.“ (!) U.a. liest man dort: „Neben den vielen infrastrukturellen Maßnahmen, die wir setzen, ist gerade die Teilnahme an ‚NÖ radelt‘ ein wertvoller Beitrag zur Förderung des Alltagsradeln in der Stadt.“ und weiter: „Das Verkehrskonzept des Stadtentwicklungsprozesses beinhaltet eine gewichtige Schwerpunktsetzung für den Radverkehr. Die Experten haben festgestellt, dass gerade in Wiener Neustadt das Potenzial für die aktive Mobilität (Fußgänger- und Radverkehr) sehr hoch ist, weil die Stadt sehr flach ist und drei Viertel des Stadtgebiets innerhalb von 10 Minuten mit dem Fahrrad erreichbar sind. Das Verkehrskonzept von STEPWN 2030 soll dieses Potenzial heben.“ Schwerpunkte sind also gesetzt und das Potenzial ist erkannt.
Leider scheint hier der Druckfehlerteufel sein Unwesen getrieben zu haben (?). Statt dem Radverkehr dürfte eigentlich der Autoverkehr gemeint zu sein. Wie kann man sich sonst erklären, dass in Wiener Neustadt die „autogerechte Stadt“ nach wie vor forciert wird? So wird gerade eine Ostumfahrung vorangetrieben, die nach Untersuchungen des Landes NÖ statt einer Entlastung vom Kfz-Verkehr gleichbleibende und in einigen Straßen sogar steigende Kfz-Verkehrsmengen zur Folge haben wird. Im Verkehrskonzept steht für den Radverkehr zwar „Lücken schließen“. Im Zuge der Ostumfahrung werden im Radverkehrsnetz gerade neue Lücken geschaffen, so wird z.B. die Franz von Furtenbach-Straße für den Radverkehr unterbrochen und damit eine wichtige Verbindung zu den Gemeinden Neudörfl und Katzelsdorf gekappt. Um diese Lücke dann mit einer Radverkehrsoffensive 2021 wieder schließen zu können?
Die schönen Vorhaben der Radoffensiven, die Klima(bündnis)ziele und auch die angeblichen Bestrebungen des Landes, die Radverkehrsanteile wesentlich erhöhen zu wollen, werden doch nicht nur leere Worte sein? Den Verantwortlichen ist sicher bewusst, dass die mit großem Aufwand noch immer vorangetriebene Öffnung der Städte und Ortschaften für den Autoverkehr, gemessen am „Transportgut Mensch“ etwa 10-mal so viel Platz und Mittel vergeudet, wie dieselbe Anzahl an Menschen mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu transportieren. Ganz abgesehen davon, dass Bewegungsmangel inzwischen auch hierzulande epidemiologische Ausmaße annimmt. Menschen, die sich mit dem Fahrrad bewegen wollen, werden aber vom überbordenden Autoverkehr und den davon ausgehenden Gefährdungen abgeschreckt.
Die Verkehrsentwicklung in Wiener Neustadt geht also nicht in eine die Umweltauswirkungen reduzierende und die Situation des Radverkehrs verbessernde Richtung, eher in die entgegengesetzte. Aber wie sagte schon J.W.v. Goethe: „In allen Dingen ist hoffen besser als verzweifeln.“
Quellen: