Klara Bleier

Dr. Max Stiglbauer
14. August 2020
Dr. Manfred Handerek
14. August 2020

Die Wiener Neustädter Verkehrswende

Tausende Autofahrerinnen und Autofahrer sind täglich von Tempobeschränkungen und Ampelrotphasen entlang der Wiener Neustädter Grazer Straße betroffen. Die geplante Umfahrungsstraße hingegen garantiert ungebremsten Fahrspaß. Wo sich heute noch todesmutige Fußgänger von motorisierten Kraftwägen über den vier Fahrstreifen breiten Asphaltbetonlimbus hetzen lassen, soll eine verkehrsberuhigte Flaniermeile entstehen. Wertvolle Agrarflächen und Landschaftsschutzgebiete erscheinen entbehrlich, stellt man sich vor, bald das verbesserte Mikroklima am „Boulevard-Grazer-Straße“ genießen zu können. Die Kaufleute der Innenstadt erwarten es kaum, durch die weitere Zerstreuung der Einkäuferinnen und Einkäufer entlastet zu werden.

Trotz Umfahrung bewegen sich im Jahr 2030 laut Prognosen immer noch rund 28.000 Kraftfahrzeuge pro Tag auf der Grazer Straße, dem „place-to-be“ für Flaneure mit einer Schwäche für urbanen Flair. Nicht nur das Stadtzentrum, auch das Naherholungsgebiet, durch das die 4,8 km lange und 100 m breite Schneise gezogen werden soll, erfährt eine zukunftsweisende Neugestaltung: Der Altbaumbestand wird sorgfältig bereinigt, Fledermäuse und Vögel haben Glück und werden „nur in geringem Maße beansprucht“, Lebensräume von Bienen und Insekten werden, ihrem allgemeinen zahlenmäßigen Rückgang entsprechend, verkleinert und Feldhamster sind ohnehin ein Mythos.

Während weltweit an Strategien für einen verkehrspolitischen Wandel gefeilt wird, setzt die „Allzeit Getreue“ auf eine sofortige Verkehrswende gen Osten, ganz nach der Devise: Aus den Augen aus dem Sinn! 40 Millionen Euro werden in den Bau der „Ostumfahrung“ investiert, um im Sinne einer zukunftsweisenden Klimawandelanpassungsstrategie die uneingeschränkte Dominanz der Automobilität weiter zu verfestigen und niemanden mehr dazu zu verleiten, auf nachhaltigere Beförderungsmethoden umzusteigen.

Die Idee zum Projekt „Straßenringschluss um Wiener Neustadt“ stammt aus den 1960er Jahren, dürfte in den letzten sechs Jahrzehnten also gründlich durchgedacht worden sein. Jetzt endlich soll es vorwärts gehen! Oder lieber doch zurück in die Zukunft?

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